Wir leben in einer technischen Zeit, sprechen über smarte Lösungen. Alle Parameter bewerten wir nach metrischen Größen (Millimeter, Sekunden, Kilowattstunden). Die Quantifizierung ist notwendig, um uns der künstlich gesetzten Grenze bewusst zu werden. Was aber sagen (numerische) Werte und Parameter über angenehmes Wohnen? Warum macht es Sinn, sich vom sogenannten Sokratischen Haus inspirieren zu lassen?
Wenn wir ein Haus bauen, das wir 50 Jahre lang nutzen werden, interessiert uns, wie es sich darin lebt und wie viel Energie wir verbrauchen. Ein Auto tauschen wir alle 10–15 Jahre aus, aber das Haus bleibt für ein halbes Jahrhundert und beeinflusst drei oder mehr Generationen. Daher sind die Anforderungen an das Haus viel höher. Beim Entwerfen eines Hauses können wir von technischen, smarten Lösungen ausgehen. Oder wir können naturverbunden und smart bauen. Ein solches Beispiel gibt es bereits seit dem 5. Jahrhundert vor Christus. Es stammt vom griechischen Philosophen Sokrates (470–399 v. Chr.), der beobachtete, was der Mensch zum Leben braucht.
Grundbedürfnisse des Hauses:
• Einen Teil seiner Ernte lagern (heutzutage würden wir sagen: eigene Lagerräume haben)
• Genügend Sonne/Licht für bessere Gesundheit und geistiges Wohlbefinden
• Die Notwendigkeit, an der frischen Luft zu sein
• Möglichst wenig verschwenden und das nutzen, was die Natur bietet
Sokrates’ Haus
Die grundlegende Anordnung des Hauses, das wir als Sokrates’ Haus bezeichnen, ist in drei Teile unterteilt:
• Pergola/Terrasse – 1
• Wohnbereich – 2
• Lagerraum – 3

Das Prinzip ist einfach
Die überdachte Terrasse sorgt für Schatten im Sommer und erzeugt eine Brise. Sie dient dazu, dass die Sonne nicht direkt in die Wohnräume scheint. Sobald die Sonne direkt auf die Fenster scheint, erwärmt sich der Innenraum, und die entstandene Wärme lässt sich nur schwer wieder loswerden, zum Beispiel durch Klimaanlage oder nächtliche Belüftung. Auch Außenlamellen oder Jalousien können die Sonnenstrahlen ablenken. Wer möchte jedoch in der Dunkelheit leben oder mit einem Gitter vor dem Fenster, wenn im Sommer der Ausblick aus dem Haus so schön ist?
Im Winter hingegen
Im Winter wollen wir, dass so viel Sonnenlicht wie möglich ins Haus gelangt. Deshalb steigt das Dach nach außen, um den Sonnenstrahlen zu ermöglichen, das Haus zu erwärmen. Ein längeres Dachüberstand der Terrasse bietet auch andere Vorteile als nur technische. Wir verbringen viel weniger Zeit mit dem Fensterputzen, weil der meiste Regen die Fenster nicht erreicht. Außerdem bleiben Fenster, die vor der Sommersonne und teilweise auch vor der Kälte geschützt sind, länger schön und funktional.
Die Terrasse und der Eingang zum Haus sollten so breit wie möglich sein, damit wir uns durch das viele natürliche Licht und die Wärme so lange wie möglich wohlfühlen. Damit gewinnen wir auch einen panoramatischen Ausblick.
Wohnbereich
Der Wohnbereich ist der zentrale Teil des Hauses. Er soll sonnig, warm und angenehm sein. Heizen können wir auch mit Technik. Doch natürliches Sonnenlicht sorgt dafür, dass es im Haus angenehm ist, selbst wenn die Temperatur um 2-3°C sinkt. Der Wohnbereich sollte mittelgroß sein. Das Prinzip des Sokratischen Hauses lässt sich auch auf einzelne Räume anwenden. Am Fenster steht ein Tisch, hinten ein Bett.
Hinterer Teil des Hauses
Der hintere Teil des Hauses ist der Lager-/Aufbewahrungsbereich. Er sollte der kleinste Teil des Hauses sein (je mehr Stauraum man hat, desto mehr wird gesammelt/hortet, und umgekehrt spart man an den Freuden des Lebens). Der hintere, idealerweise nördliche, Teil des Hauses dient zwei Zwecken. Er ist eine Pufferzone gegen die Kälte im Wohnbereich und gleichzeitig ein Aufbewahrungsbereich mit stabilen Bedingungen. Er kann kühl sein, wir brauchen keine Fenster, es reicht eine Belüftung. Er garantiert stabile Bedingungen für die Lagerung, was sich in einer längeren Haltbarkeit der gelagerten Dinge (Lebensmittel, aber auch Kleidung, Reifen und andere) zeigt.
Alles kann durch smarte Technik ersetzt werden. Aber warum, wenn wir Energie aus der Natur schöpfen können?